„Da gibt es hier 2 Stände mit original Thüringer Bratwurst aber keinen Fisch.“ Peters kritische Analyse macht mich auf mein Hungergefühl aufmerksam. „Die Fischstände stehen wahrscheinlich auf den Thüringer Wochenmärkten. Da sind das dann Delikatessen von der Ostsee.“, erwidere ich. Das Hungergefühl wächst bei der Rederei übers Essen. „Aber vielleicht ist es trotzdem besser, eine Wurst zu essen, bevor wir auf Zugfahrt gehen. Dann gibt es stundenlang nur Bemme.“ Wir bleiben stehen und blickten fragend Richtung Wurststand. „Iss ruhig eine“, ermutigt mich Peter, der mit seiner Angebotsanalyse des Wochenmarktes mein Hungergefühl unnötig geschührt hat. Vielleicht hätte er mich gerne überredet, doch lieber frischen Fisch zu essen, schließlich befinden wir uns ja direkt an der Ostsee. Aber er hat ja bereits hervorgehoben, dass eben kein Fisch angeboten wird. Auch sonst gibt es nicht wirklich viele Alternativen und so schlurfe ich - ich hatte den Urlaubsmodus noch nicht völlig verlassen - auf die Würstchenbude zu. Der Verkäufer steht neben seinem Wagen und raucht, kommt aber sofort mit ein paar eiligenSchritten hinter die Verkaufstheke gespurtet, als er uns warten sieht.. Da auf einem gepflegten Wochenmarkt der Kunde noch könig ist, verzichtet er darauf, Zeit fürs Händewaschen zu vergeuden und bedient mich sofort. „Ich glaube, ich bekomme auch Hunger“, höre ich Peter von der Seite murmeln. „Wenn ich Dich so sehe, bekomme ich auch hunger“, deht Peter seine Ausführungen aus. Von so viel Anmut - Ostwestfale mit langer thüringer Bratwurst im Brötchen - inspiriert, ordert er auch eine Fleischstange und ich beahle. Bis vor kurzer Zeit wußte ich gar nicht, was an den Thüringer Würsten so toll ist. –
Wenn die noch roh sind, dann ist das eigentlich nur so eine Glibbermasse. Die werden erst auf dem Grill bißfest. Ich würde ja denken, dass da irgendwelche Lebensmittelchemiker was reingestreut haben, aber in Wirklichkeit sind die am aller natürlichsten von allen Würsten. - Also ich habe ja mal bei Mc D. eine Nährwerttabelle gesehen. Bei denen ist auch alles ganz natürlich und so. Egal, damit die Würstchen auch schmecken, wenden die nicht mit der zange gewendet, sondern mit den Fingern, die man sich vorher anspuckt, damit die Finger nicht nachher so verkohlt aussehen, wie die Fleischstangen. Aber dass macht der Verkäufer auf dem Markt natürlich nicht, wegen der Hygiene und so. –
Und dann stehen wir da mit den Würstchen in der Hand. Ist jedes Mal der gleiche Logistikstau. Entweder man ißt erst die Würstchenseiten ab, die aus dem Brütchen rausragen, dann hat man aber am Ende überwiegend Semmel übrig, auf dem es sich meist etwas zäh kauen lässt. Oder man versucht die Wurst zu knicken und doppelt ins Brötchen zu legen. Diese Wurst ist aber so groß und flexibel, daß die umgeknickte Hälfte mehrmals wieder aus dem Brötchen rausspringt. Ich bin halt kein Thüringer.-
Nach erfolgreicher Verspeiung gehen wir richtung Fußgängerzohne. Peter hat bereits die nächste Kuriosität erblickt. „Was ist das denn für ein Straßenschild“. Er schaut irgendwo gegen eine Häuserfassade, die so weit weg ist, daß ich so eben erkenne, dass da überhaupt ein Schild hängt. Naja, er ist ja der Ornitologe, der meint, mit bloßem Auge den Ozsterstrasean überschauen zu können. „Steht wenigstens was unanständiges drauf?“ „Ja“. Na dann.“ Ich hätte nicht wirklich geglaubt, dass Peter das ernst meint, aber ungewöhnlich ist der Name dann tatsächlich. „ Tittentasterstraße, dabei sieht das hier gar nicht nach Rotlichtmillieu aus.“ Wenn wir an einer Touristenführung teilnehmen würden, wüßten wir bestimmt bald, was das mit dem Schild auf sich hat, aber wir müssen weiter. Erstaunlicher Weise, hat Wismar noch mehr zu bieten. Als nächstes biegen wir in die ABC-Strasse ab. „Sehr krativ“, meine ich, aber schon bald erklärt sich einiges. Jedenfalls macht die erste Kneipe, die wir erblicken, den Eindruck, als wäre es für die Kunden sehr hilfreich, daß diese Straße „ABC-Straße“ und nicht „Tittentasterstraße“ heisst. „das könnte sonst probleme beim Taxi-bestellen geben. Oder auch bei der Frau, wenn sie fragt, wo man sich rumgetrieben hat. – Erstaunt sind wir dann aber doch, dass der örtliche Erotikmarkt auf der „ABC-Straße“ beheimatet ist. Der wäre nun wirklich auf der TTS besser aufgehoben. –
„Wo sind denn nun unsere Frauen“, frage ich Peter, nachdem wir scheinbar alle Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigt haben. „Da drüben“, bekomme ich zur antwort und folge mit meinem Blick Peters ausgestrecktem Arm, mit dem er etwas unspezifisch umherfuchtelt. Keine Ahnung, was mir unser Adlerauge in der Ferne zeigen möchte. Schließlich biegt er neben einem Bioladen in ein Bio-Cafe ab. Im Durchgan lacht uns ein Bio-Budder an, Bio-Musik läusel um uns herum und durch das Schaufenster sieht man Bio-Obst. „Warum gehen unsere Frauen hierhin?“. Peter versucht mir irgend etwas zu erklären, aber ich verstehe kein Wort und dann stehen wir auch schon im Cafe.
Intro
Es war irgendwann in der Abizeit, als mein Mathelehrer ins Klassenzimmer trat und verkündete, daß wir uns in den nächsten Stunden mit der Berechnung der Entfernung zweier gedachter Ebenen im Raum beschäftigen würden.
Mir war sofort klar, dass wir scheinbar nicht im gleichen Sonnensystem lebten und dass sich unsere Wege bald trennen würden. Trotzdem dauerten unsere unwirklichen Zusammenkünfte zur Behebung irrealer Schwierigkeiten noch bis zum Ende meiner aktiven Schullaufbahn. Aufgrund mangelner begreifbarer Themen blieb mein einziger geistreicher Beitrag im letzten Schulhalbjahr die Frage, ob ich nicht den Unterricht verlassen könne, da ich mich die Vorbereitung der Abi-Klausur nicht beträfe (ich nix Mathe im Abi). Wenigstens dieses eine Mal hatte er am Inhalt meiner Wortmeldung nichts auszusetzen. -
Viele Jahre später ist mir zwar keine gedachte Ebene mehr begegnet (wahrscheinlich weil ich überwiegend an andere Dinge denke), aber bei alle dem, was mir seit der Schulzeit begegnet ist, befürchte ich, dass mein Mathe-Lehrer damals bereits Einblicke in Galaxien und verborgene Lebenswüsten hatte, die ich bis heute nur erahne.
Montag, 27. August 2007
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