Intro

Es war irgendwann in der Abizeit, als mein Mathelehrer ins Klassenzimmer trat und verkündete, daß wir uns in den nächsten Stunden mit der Berechnung der Entfernung zweier gedachter Ebenen im Raum beschäftigen würden. Mir war sofort klar, dass wir scheinbar nicht im gleichen Sonnensystem lebten und dass sich unsere Wege bald trennen würden. Trotzdem dauerten unsere unwirklichen Zusammenkünfte zur Behebung irrealer Schwierigkeiten noch bis zum Ende meiner aktiven Schullaufbahn. Aufgrund mangelner begreifbarer Themen blieb mein einziger geistreicher Beitrag im letzten Schulhalbjahr die Frage, ob ich nicht den Unterricht verlassen könne, da ich mich die Vorbereitung der Abi-Klausur nicht beträfe (ich nix Mathe im Abi). Wenigstens dieses eine Mal hatte er am Inhalt meiner Wortmeldung nichts auszusetzen. - Viele Jahre später ist mir zwar keine gedachte Ebene mehr begegnet (wahrscheinlich weil ich überwiegend an andere Dinge denke), aber bei alle dem, was mir seit der Schulzeit begegnet ist, befürchte ich, dass mein Mathe-Lehrer damals bereits Einblicke in Galaxien und verborgene Lebenswüsten hatte, die ich bis heute nur erahne.

Samstag, 14. April 2007

Vereinigte Übernahme

So steht es also um Deutschland. Anfang des Jahres war in den Zeiungen zu lesen, wie sich das deutsche Volk seit der Wiedervereinigung denn so mischt, wer schon mal wo war und was man über den dazugefügten Landstrich so denkt. Auch wenn mir die genauen Zahlen entfallen sind, ergab sich doch ein klaren Bild von der sogenannten "inneren Einheit".

Demnach haut alles, was jung ist und zwei gesunde Beine hat, in den Westen ab. Zurück bleiben die Alten, die Perspektivlosen und die, die vom Mauerfall noch nichts gehört haben. Der Osten steht damit kurz vor dem Aussterben. Vom Westen ist nichts zu erwarten, ein großer Teil der Bevölkerung bequemt sich nicht mal im Urlaub in den Osten. Man könnte sich ja verfahren und schwups, ist man in Polen oder Rußland.
Die paar Prozent, die sich wirklich getraut haben, ostdeutschen Boden zu betreten, waren wahrscheinlich die, die direkt nach der Wende mit heldenhaftem Pioniergeist angaloppierten, um Wohlstand und Weisheit zu bringen. Diese tollkühnen Heilsbringer entpuppten sich laut Zeugenaussagen jedoch meist als solche Schaumschläger, die im Westen nichts geworden sind und glaubten, ganze Bundesländer mit ein paar Westmark kaufen zu können. Ist doch klar, dass die Mauer in den Köpfen schon so gut wie abgerissen ist.

Intensiviert wird das herzliche Miteinander durch debatten über den Solidaritätszuschlag. Scheinbar denkt man im Westen noch immer, dass die Menschen im Osten gar nichts dergleichen bezahlen. Der Westdeutsche stützt den Osten, so kann es nicht weitergehen. Mißverständnisse dieser Art wären ja längst ausgeräumt, wenn mal jemand in den Osten gereist wäre, um sich direkt vor Ort zu beschweren. Außerdem hätte man da gleich mal geschaut, was die mit dem ganzen Geld so anstellen. Kann man schließlich in Dresdens gläserner Automanufaktur auch. Da stellt man sich gerne mal als zahlender Kunde neben den Handwerker und schaut, ob der auch alles richtig einbaut. Aber so sehr scheint der Soli dann doch nicht zu sticheln. Aber ich komme vom Thema ab.

Was machen wir denn jetz mit den jungen Ossis, die den Westarbeitsmarkt überfallen und dem aussterbenden Osten, den kaum ein westdeutsches Auge bisher gesehen hat?
Vom Prinzip her ist eigentlich alles prima. Die Wessis reiben sich die Hände darüber, dass sie im goldenen Teil der Republik leben und dass es ihnen gut geht. So sollte es auch bleiben. Denn hinter der ehemaligen Mauer kommt auch dem Ossi ein lächeln über die Lippen. Viele Städte sind inzwischen sehr ansehnlich und lebenswert. Die teils wundervollen Erholungsgebiete und Landschaften hat man in den Ferien für sich und die meisten westdeutschen Goldgräber sind inzwischen weitergezogen. Und so wie es aussieht, schafft man es sogar, sich Tugenden wie Nachbarschaftlichkeit und Herzlichkeit wenigstens teilweise zu erhalten. Das alles behält der Ossi aber für sich, denn wenn sie es im Westen wüßten, dann würden sie ja vieleicht plötzlich doch alle kommen.

Eine frage bleibt. Da ja noch immer gerne von den neuen Bundesländern gesprochen wird, was im Unterton mitschwingen lässt, dass es sich ehr um eine Übernahme als um eine Wiedervereinigung gehandelt hat, wäre es an der Zeit, mal nach einem entsprechenden Begriff für die "Westbundesländer" zu suchen. In einem Gespräch vor ein paar Tagen erwähnte mir gegenüber jemand die "Gebrauchtländer".

Abschließend weise ich darauf hin, dass es nicht erst seit gestern Zugverbindungen und Autobahnen, ja sogar Flugstrecken gibt, die Ost und West des Landes verbinden.
Also Leute, besucht Euch endlich und lernt Euch kennen.

Keine Kommentare: