Intro

Es war irgendwann in der Abizeit, als mein Mathelehrer ins Klassenzimmer trat und verkündete, daß wir uns in den nächsten Stunden mit der Berechnung der Entfernung zweier gedachter Ebenen im Raum beschäftigen würden. Mir war sofort klar, dass wir scheinbar nicht im gleichen Sonnensystem lebten und dass sich unsere Wege bald trennen würden. Trotzdem dauerten unsere unwirklichen Zusammenkünfte zur Behebung irrealer Schwierigkeiten noch bis zum Ende meiner aktiven Schullaufbahn. Aufgrund mangelner begreifbarer Themen blieb mein einziger geistreicher Beitrag im letzten Schulhalbjahr die Frage, ob ich nicht den Unterricht verlassen könne, da ich mich die Vorbereitung der Abi-Klausur nicht beträfe (ich nix Mathe im Abi). Wenigstens dieses eine Mal hatte er am Inhalt meiner Wortmeldung nichts auszusetzen. - Viele Jahre später ist mir zwar keine gedachte Ebene mehr begegnet (wahrscheinlich weil ich überwiegend an andere Dinge denke), aber bei alle dem, was mir seit der Schulzeit begegnet ist, befürchte ich, dass mein Mathe-Lehrer damals bereits Einblicke in Galaxien und verborgene Lebenswüsten hatte, die ich bis heute nur erahne.

Freitag, 22. Februar 2008

Berlin

Als ich den Bahnhof durch den Hinterausgang verließ, kam ich mir kurzzeitig wie auf dem Basar vor. Autos reihten sich wie Verkaufsstände aneinander, Menschen schauten sich um, kamen ins Gespräch. Es wurde genickt, Kopf geschüttelt, losgefahren, angekommen. Ohne Zweifel war ich nicht der einzige, der sich an diesem Parkplatz mit seiner Mitfahrgelegenheit verabredet hatte. Nach ein paar Minuten war das bunte Treiben vorbei und außer mir standen nur noch 3 weitere Personen etwas verloren in der Gegend herum. Wie sich raus stellte, warteten wir alle auf den gleichen Fahrer, der auf Anfrage mitteilte, in 5 Minuten vor Ort zu sein. Eine halbe Stunde später war er dann auch schon da. Mit dem Beifahrer vertiefte er sich sogleich in ein ausführliches Gespräch über die arabische Welt (seine Heimat), wobei er mit der linken Hand lenkte und mit der rechten Hand wild gestikulierend seine Worte ausmalte. Folgerichtig eierte das Auto in unregelmäßigen Abfolgen um den Mittelstreifen der Autobahn, was unseren Fahrer nicht im Geringsten störte. Nachdem das Thema Zielpunkte in Berlin schnell ein Ende in der Feststellung fand, dass sich keiner in Berlin auskannte und es im Auto auch keine Karte gab, entschwand er mit dem Beifahrer gedanklich wieder in den arabischen Mittelmeerraum. Schließlich steuerten wir einfach eine S-Bahn Station an, wo mir eine kompetente Fahrkartenverkäuferin bestätigte, dass ich mich immerhin schon im Ostteil der Stadt befand. Ca. 30 Minuten Später hatte ich das Haus meiner Bekannten erreicht.

Nachdem ich dort meinen Freund eingesammelt hatte, ging es zum Stadion. Die S-Bahn Fahrt verlief weit weniger spektakulär. Außer einem jungen Musiker, der uns in der Bahn ein Lied über Hertha BSC zum Besten gab und anschließend seine CD für 2€ verkaufte, verlief die Fahrt ohne Zwischenfälle. Die Vorfreude auf das Spiel hielt sich noch in Grenzen, da Spiele zwischen Berlin und Bielefeld im Olympiastadion scheinbar in ein festgelegtes Schema gepresst sind und daher auch stets den gleichen Verlauf nehmen. Grundsätzlich ist es immer kalt, Bielefeld braucht dringend Punkte (wehe einer sagt, was ihm zu diesem Satz einfällt) und Hertha muss sich stets aus einer latenten Krise befreien. Das Spiel erreicht in der Regel die Klasse und Geschwindigkeit einer Bowlingkugel im Ruhestand und am Ende schießt Hertha meist ein Tor mehr als gewünscht. In diesem Fall war das Tor mehr das einzige, das überhaupt geschossen wurde. Ungünstiger Weise fiel es in der 92 Minute, als letzte Aktion des Spiels. Nächstes Mal beschäftige ich mich lieber mit der Bowlingkugel.

Das Highlight des Tages musste also an anderer Stelle gefunden werden und ließ gar nicht lange auf sich warten. Als wir in einer Dönerbude zwischen mehreren Herren, die nicht so aussahen, als währen sie erst zum Abendessen eingetroffen, unsere Mahlzeit einnahmen, kam eine ältere Frau aufgeregt herein gelaufen. Unter reger Anteilnahme berichtete sie, dass irgendwer oder irgendwas hinter ihre Schrankwand gefallen wäre und nun starke Männer benötigt würden, um die Möbelteile vorzuziehen. Zur Erleichterung aller stellte sich heraus, dass nicht der Mann oder die Tochter, sondern das Haustier (irgendein Vogel) hinter dem Wohnzimmermobiliar verloren gegangen war. Die Herren der Schöpfung folgten ihr widerwillig und wurden auch nicht mehr in der Bude gesichtet. Getoppt wurde diese Szene nur noch von dem Mann, der beim abendlichen Cure-Konzert 3 Plätze neben mir saß. Er sah meiner Meinung nach wie ein entfernter Bruder vom Pur-Sänger aus, konnte aber zu meinem Erstaunen das fast 3,5 stündige Programm komplett mitsingen. Die durchaus beängstigende Frage, ob es irgendwelche Verbindungen zwischen Cure und Pur gibt, konnte ich nach allem, was an diesem Tag geschehen war, nicht mehr klären. Aber es reicht mir schon zu wissen, dass man einhändig über die Autobahn fahren kann, dass sich gewisse Fußballspiele jedes Jahr mit fast identischem Ablauf wiederholen und dass Vögel hinter Schrankwände fallen können.

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